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WM-Feedbacks

Imke und Alex aus Hamburg

Ein Japaner zu Gast in unserer WM-WG in HH-Eimsbüttel

Auch wir (Alex und ich) haben uns bei Host a Fan als WM Vermieterinnen registriert und waren gespannt, ob und welche Gäste sich wohl in unserer Frauen-WG einbuchen würden. Als erstes meldete sich der Japaner Kei aus Tokio. Wir hatten vorher beschlossen, eigentlich keine Männer in unserer WG aufzunehmen (nur Paare und Frauen – wegen der Sicherheit) – aber irgendwie fanden wir einen echten Japaner schon spannend und da wir uns Japaner als kleine und zierliche Menschen vorstellten, haben wir ihm zugesagt. Er war unser erster WM Gast und das machte die Sache umso spannender. Am Donnerstag, den 14.6. war es soweit, ich hatte vormittags Schule (Lehrerin) und meine Mitbewohnerin Alex hatte Kei vormittags in Empfang genommen. Gespannt öffnete ich mittags unsere Wohnungstür und zu meiner positiven Überraschung saß dort ein Japaner wie aus dem Bilderbuch im meiner Küche. So wie ich mir eben einen echten Japaner vorgestellt hatte: klein, schmächtig, schwarze Stoppelhaare. Alex war dabei, ihm anhand eines Stadtplanes, welchen wir für Kei bereit gelegt hatten, alle wichtigen Sehenswürdigkeiten zu erklären, denn er wollte gleich mit seiner Kamera zu einer ausgiebigen Sightseeing Tour durch Hamburg aufbrechen. Schnell merkte ich, dass Kei relativ schlechtes Englisch sprach, seine Sätze aus lauter Höflichkeit lange bevor er sie aussprach wohl überlegt zurecht formulierte. So versuchten wir ebenfalls, ganz langsam zu sprechen und ständig nachzufragen ob auch alles verstanden wurde. Puuhh..das mit der Verständigung konnte ja heiter werden..Alex hatte inzwischen ein echtes deutsches Mittagessen gekocht. Bratkartoffeln, Salat und Schnitzel. Alex und ich hatten etwas Zeitdruck, da wir Tickets für das WM Spiel im Stadion in Hamburg hatten, Equador gegen Costa Rica. Eigentlich hätten wir schon lange aufbrechen müssen, aber keiner von uns wollte Kei´s ausgiebige und langsame Esskultur stören, nachdem wir schon zum Start des Mittagessens einfach angefangen hatten zu essen, bevor Kei sein Gebet und eine Verneigung vor dem Essen gemacht hatte. Also warteten und warteten wir, bis Kei fertig gegessen hatte und dabei mehrmals betonte, das er noch nie so leckere Bratkartoffeln gegessen hatte..
Bevor alle die Wohnung verließen, musste Kei noch einmal auf die Toilette und es dauerte und dauerte – bis er schließlich aus dem Bad kam und fragte wo denn unsere Toilettenspülung sei? Ähhh (eine ganz gewöhnliche Spülung oben auf der Toilette)…You have to push on the top of the toilet“. Aha jetzt klappt´s…

Am Abend trafen wir uns alle wieder und geplant war Besichtigung des Fan-Festes und eine Tour durch die Schanze mit Kei. Nicht bedacht, das unser Japaner kein Alkohol trank und auch, wie wir erkennen mussten, die Menschenmassen auf dem Fan-Fest nicht als sonderlich spaßig empfand, brachen wir auf zu Schanze um dort etwas zu essen. Nach mehrmaligen Nachfragen nach seinem Befinden und mehrmaligen höflichen Äußerungen dass es ihm gut ginge, brachte er dann doch irgendwann hervor, dass er Hunger habe. Gott sei dank, er hatte endlich mal geäußert was er möchte…
Durch seine außerordentliche Höflichkeit wussten wir bald nicht mehr, was wir mit ihm anstellen sollten…er sagte, dass die Zeit für die Sightseeing tour heute nicht gereicht habe. Darauf hin fragte Alex ihn, ob er lieber jetzt noch mehr Sightseeing machen möchte anstatt mit uns ein gepflegtes Bier zu trinken? Dies verneinte er natürlich wieder höflich und fragte dann wiederum ob wir noch Verabredungen hätten, dann könnte er sich auch allein beschäftigen. Er wollte uns nicht zur Last fallen… wir hatten uns ehrlich auf Kei gefreut aber jetzt wurde es anstrengend weil

keiner mehr wusste was der andere eigentlich möchte. Wir nahmen ihn in die Mitte und setzten uns gemütlich beim Portugiesen auf der Schanze zum essen. Für mich war es selbstverständlich, dass ich meinem Gast die deutsche Speisekarte ins englische übersetzte. Jedoch nach kurzer Zeit lenkte Kei ein – es war ihm sichtlich unangenehm dass ich alles übersetzte. Was nun? Um die für ihn so peinliche Lage zu beenden, zeigte er einfach mit dem Finger auf eine Vor- und eine Hautspeise. Das sollte es sein! So gab es als Hauptspeise eine Fischsuppe und als Hauptgang einen großen Teller mit Rippchen…

Nicht nur meine sondern auch Kei´s Augen starrten ungläubig auf diesen großen Teller voller Fleisch am Knochen. Ich war gespannt was passiert. Wir wünschten nach Kei´s Tischgebet und Verbeugung wieder guten Appetit und los ging´s..Alex und ich aßen unseren Salat und Kei versuchte natürlich mit Messer und Gabel das oberste Rippchen zu erwischen und daran herum zu schneiden. Das Rippchen fiel vom Teller und er versuchte es beim Nächsten. Aber die Rippchen wollten sich einfach nicht von Messer und Gabel schneiden lassen. Er konnte das Gericht nicht essen. Sein Gesichtsausdruck erstarrte bald völlig und seine – und unsere – Laune war am Tiefpunkt. Wir wussten nicht mehr weiter. Das fremde Paar, welches uns gegenüber saß und das ganze Szenario mitbekommen hatte, schritt ein. Sie sprachen Kei freundlich an, das es in Deutschland üblich sei, die Rippchen mit den Händen zu essen. Kei nickte freundlich und stocherte weiter mit Besteck in den Rippchen herum. Uns war schnell klar, dass das Essen mit den Händen in der Öffentlichkeit nicht in seine Erziehung und Kultur passte. Ein Reinfall in vollem Maße. Zu unserer Verwunderung ließ sich Kei alle Rippchen vom Kellner in einer Plastiktüte einpacken. Alle etwas genervt traten wir den Heimweg an, Kei mit seinen Rippchen in der Tüte…

Am nächsten Morgen fuhr Kei früh mit dem Zug weiter zur nächsten WM Stadt. Wir hatten verabredet, das ich erst ins Bad gehe um dann zur Schule zu fahren. Als ich morgens aufstand, brannte bereits Licht in der Küche. Ich dachte es sitzt ein Geist morgens um 6.00 Uhr in unserer Küche. Da saß tatsächlich unser Kei am Küchentisch, komplett angezogen und aß genüsslich seine kalten Rippchen mit den Fingern. Ich wünschte ihm kurz guten Appetit und ließ ihn dann schnell allein mit seinen Rippchen. Unter der Dusche wurde mir klar, dass hier zwei völlig verschiedene Kulturen aufeinander gestoßen waren.
Fazit: unser Japaner war die Höflichkeit in Person, das Wort NEIN kannte er nicht, er wollte uns keine Umstände machen und: Japaner kennen kein Brot zum Frühstück sondern essen eben lieber herzhafte Rippchen.

Eine tolle, interessante wenn auch aufregende Erfahrung mit unserem ersten WM-Gast. Ein ganz liebenswürdiger Mensch den ich um die große WM-Rundreise und seine vielen neuen Eindrücke in einer fremden Kultur beneide. Ich freue mich, etwas dazu beigetragen zu haben. Die Welt zu Gast bei Freunden…